- Neuer Keynesianismus
- Neuer Keynesianịsmus[- keɪnz-], englisch New keynesian economics [njuː 'keɪnzjən iːkə'nɔmɪks], als Reaktion auf die neue klassische Makroökonomik in den 80er-Jahren entstandene makroökomonische Schule, die sich insbesondere um die mikroökonomische Fundierung der für die keynesianische Theorie zentralen Hypothese kurzfristiger Preis- und Lohnstarrheiten bemüht. Vertreter sind u. a. George A. Akerlof, Janet L. Yellen und N. Gregory Mankiw. Ausgangspunkt ist die (der neuen klassischen Makroökonomik diametral entgegengesetzte) Überzeugung, dass sich die in der Realität beobachtbaren konjunkturellen Schwankungen nur bei Marktunvollkommenheiten auf der Mikroebene erklären lassen (z. B. Lohn- und Preisstarrheiten); insofern steht der Neue Keynesianismus in der Tradition der keynesianischen Lehre. Allerdings wurden im naiven Keynesianismus Lohn- und Preisstarrheiten oftmals durch nicht rationales Verhalten erklärt (z. B. Nominallohnillusion der Arbeitnehmer). Dieses Abweichen vom Paradigma des Homo oeconomicus wurde v. a. bei neoklassisch orientierten Ökonomen zu einem zentralen Kritikpunkt am Keynesianismus. Der Neue Keynesianismus will zeigen, dass makroökonomische Lohn- und Preisstarrheiten mit Rationalverhalten auf der Mikroebene zu vereinbaren sind. Dieser Nachweis lässt sich nur dann führen, wenn die Unternehmen beziehungsweise Gewerkschaften einen Preissetzungsspielraum haben. Daher ist die in den Modellen des Neuen Keynesianismus bevorzugte Marktform das Monopol beziehungsweise die monopolistische Konkurrenz. Als mögliche Ursache für rational begründbare Preisstarrheiten werden u. a. Menu-Costs, gestaffelte Preissetzung und Koordinationsversagen genannt.Ausgangspunkt für die Erklärung makroökonomischer Preisstarrheiten durch gestaffelte Preissetzung auf der Mikroebene ist die Beobachtung, dass viele Preise einer Volkswirtschaft für eine gewisse Zeit vertraglich fixiert sind (z. B. durch Lieferverträge und Tarifabkommen). Grund für die Fixierung ist in der Regel - durchaus rational - die Vermeidung von Risiko. Solche Verträge implizieren eine gewisse Lohn- und Preisträgheit. Entscheidendes Argument ist jedoch, dass es zu einem zusätzlichen Trägheitsmoment kommt, weil aus makroökonomischer Perspektive die Verträge gestaffelte Laufzeiten aufweisen und daher nicht zum selben Zeitpunkt enden beziehungsweise neu verhandelt werden. Kommt es z. B. zu einem Rückgang der Gesamtnachfrage, müssten alle Lohnsätze proportional sinken, um Vollbeschäftigung aufrechtzuerhalten. Es wird unterstellt, dass die Arbeitnehmer zu einer solchen Lohnsenkung bereit wären, wenn sich dadurch ihre »relative« Lohnposition im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern nicht ändert. Lohnsenkungen sind aber nur dort möglich, wo Tarifverträge ausgelaufen sind und Neuverhandlungen anstehen. Würden die betroffenen Arbeitnehmer der gesamtwirtschaflich erforderlichen Lohnsenkung zustimmen, würde sich ihre Lohnposition gegenüber den Arbeitnehmern verschlechtern, die noch von bestehenden Tarifverträgen geschützt werden. Ob diese später ebenfalls Lohnsenkungen zustimmen werden, ist aber offen. Daher werden die Beschäftigten in den Lohnverhandlungen allenfalls einer geringen Lohnsenkung zustimmen. Dieses - durchaus rationale - Verhalten lässt sich auf spätere Verhandlungen übertragen. Allein durch die Staffelung kommt es also zu Trägheiten des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus mit der Folge, dass auf Rückgänge der Gesamtnachfrage nicht das Preisniveau, sondern das Beschäftigungsniveau sinkt. Ob diese oder andere Hypothesen des Neuen Keynesianismus zur Erklärung von Starrheit des gesamtwirtschaftlichen Preisniveaus ausreichen, ist Gegenstand der aktuellen makroökonomischen Diskussion.M. Pflüger: Neukeynesianismus u. Marktmacht (1994);
Universal-Lexikon. 2012.